Mindset & Haltung Archive - oonio design

Manchmal ist es, als würde eine unsichtbare Flut an mir ziehen.
Ich sitze da, schaue auf den Bildschirm,
und weiß nicht, ob ich schreiben will – oder einfach nur fühlen.
Die Gedanken tanzen, taumeln, drehen sich im Kreis.
Aber irgendwo dazwischen ruft eine leise Stimme:
„Schreibe, auch wenn du nicht weißt, worüber.“

Es gibt diese Tage.
Sie kommen nicht oft, aber wenn sie kommen, hinterlassen sie Spuren.
Es ist kein Sturm, kein Orkan.
Es ist ein leises Kräuseln der Wasseroberfläche,
unter der aber etwas viel Größeres brodelt.

Warum will ich schreiben, wenn ich doch kein Thema habe?
Warum kitzelt es in den Fingern, wenn der Kopf leer ist?
Vielleicht, weil Kreativität kein Ziel braucht.
Vielleicht, weil wir schreiben müssen,
um zu spüren, dass wir noch lebendig sind.

In einer Agentur, im Alltag, in Deadlines, in Meetings –
da geht oft das Unterste verloren: das Jetzt.
Wir jagen Ideen, Kampagnen, Botschaften –
doch manchmal vergessen wir,
dass wir auch ohne Auftrag existieren.
Dass wir als Kreative nicht nur Marken zum Leben bringen,
sondern auch unser eigenes Innenleben.

Worte schreiben ist kein Projekt.
Kein Kunde bestellt sie.
Kein Budget hängt daran.
Es ist der Moment,
in dem wir uns selbst beweisen:
Wir sind mehr als Briefings.
Wir sind Menschen,
die in der Tiefe schwimmen,
ohne den Grund zu sehen.

Sind wir nicht wie Fische,
die im Wasser gleiten,
ohne zu wissen, was Wasser ist?
Unser Ozean heißt Kreativität,
und manchmal müssen wir nur die Augen öffnen,
um zu merken:
Wir schwimmen längst darin.

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FORRESTER: Fang an!
JAMAL: Was anfangen?
FORRESTER: Schreib!
JAMAL: Was machen Sie da?
FORRESTER: Ich schreibe. Wie du auch, wenn du mal anfängst, in die Tasten zu hauen. Gibt’s ein Problem?
JAMAL: Ich denke nur.
FORRESTER: Nein. Nicht denken, das kommt später.
Die erste Fassung schreibt man mit dem Herzen,
und überarbeitet sie mit dem Kopf.
Der erste Schritt zum Schreiben besteht darin,
zu schreiben, nicht zu denken.

Kreativität?
Nicht nachdenken.
Nicht planen.
Nicht auf den Moment warten.

Lass gehen.
Lass fließen.
Fang einfach an.

Februar 1999 – Üsküdar, Istanbul.

Ein Internetcafé zwischen Teestube und Spielhalle. Der Boden roch nach Kabelbrand und Çay. Der Anbieter: Superonline.
Das Modem: 56k – langsamer als mein Herzschlag, aber viel lauter. Ich hörte das Rauschen wie ein Gebet vor dem Verbindungsaufbau.

Ich loggte mich ein. Kein Avatar. Kein Foto. Nur ein Name:
Smoky857

ICQ war offen, mIRC im Hintergrund.
Ich war 23 – jung, rebellisch und voller kleiner und‘s – weil alles jünger, schöner, leichter klang.

In Üsküdar tippte ich meine Chatzeilen ins Rauschen eines 56k-Modems. Gleichzeitig wurde in Deutschland das erste DSL-Netz getestet.

Wenige Tage zuvor wurde Abdullah Öcalan gefasst. Die Türkei war nervös, die Straßen aufgeladen – ein Land zwischen Angst, Aufbruch und alten Wunden.

Im August kam das große Beben – 17.000 Tote. Während in Deutschland die ersten „Ich-AGs“ geboren wurden, begrub man in Sakarya ganze Stadtviertel.

In der einen Welt sprach man über Atatürk, Kopftücher und Korruption, in der anderen über Globalisierung, Kanzler Schröder und die neue Mitte.

Zwei Länder. Zwei Rhythmen.
Und ich: dazwischen.
Mit einem Bein in der Vergangenheit,
und dem Cursor schon in der Zukunft.

Damals war Chatten kein Scrollen.
Es war Warten. Lauschen. Schreiben mit Herzklopfen.
Keine Hektik. Keine Likes. Nur Tastenschritte durch dunkle Flure.
Ein Satz konnte Freundschaft bedeuten – oder Verrat.
Jede Antwort war ein Wunder. Und jedes Schweigen eine stille Ablehnung.

Dann schrieb jemand:
„Are you ready?“
Nur drei Wörter. Weiß auf Grau. Kein Avatar. Keine Herkunft.
Ich antwortete nicht.
Ich starrte auf den Cursor.
Der blinkte wie mein Herz.
READY_
Nicht als Befehl. Als Zustand.

Wir schrieben nicht, um gesehen zu werden. Wir schrieben, um gehört zu werden.


Ich bin ein Kind der analogen Achtziger. Aufgewachsen mit Kohleeimern, C64-Disketten und verrauschten Telefongesprächen. Und doch war ich von Anfang an Teil des digitalen Aufbruchs.

READY_ ist kein Rückblick. READY_ ist ein Zustand. Ein leuchtender Cursor in mir – blinkend, wartend, bereit.

Dies ist keine nostalgische Romantik über Disketten und Chatrooms. Es ist ein Gefühl, das bleibt: Zwischen Modemrauschen und Mindset. Zwischen Nickname und Identität.

READY_ ist die Geschichte einer Transformation. Und vielleicht auch deine.


1989 – Ruhrgebiet. Kinderzimmer mit Kohle.

Bevor ich READY_ war, war ich nur: da.

Ich war 13, wir lebten in einer 2½-Zimmer-Wohnung – ein türkisches Ghetto, mitten im Ruhrgebiet. Die Heizung: ein Kohleofen. Der Alltag: ein Kompromiss.

Die Straße lebte. An der Kreuzung mit dem Stoppschild traf sich die Bande – halb Kinder, halb Krieger. Hin- und hergerissen zwischen Wahn und Vernunft, zwischen echtem Leben und dem, das wie Gangsterlife roch – aber nie ganz echt war.

Ich war einer der ersten Türken auf einem Gymnasium. Damals fast undenkbar. Auch wenn mein Platz dort wackelig war – er war da.

Bevor ich den Commodore 64 anschließen durfte, musste ich mit meinem Bruder in den Keller. Eimer für Eimer. Schwarze Hände. Roter Atem.

Oben wartete ein Fernseher – nicht smart, nur warm.

Mein Vater brachte den Karton und sagte:
„Al, kur. Bakalım neymiş bu bilgisayar.“
(„Nimm, Junge. Mal sehen, was das Ding kann.“)

Ich riss das Papier auf: Commodore 64.
In der Verpackung: eine Diskette – Soccermaster.
Ich steckte sie ein. Flackern. Warten.
Dann erschien er – der Startscreen.

Soccermaster – geschrieben von Thorsten Wölki, erschienen 1987. Kein FIFA. Kein PES. Kein Gameplay im klassischen Sinn. Ein Fußballmanager – reduziert auf Buchstaben, Tabellen und Träume.

Man wählte seinen Verein mit Pfeiltasten, kaufte Spieler, durchforstete Tabellen, jonglierte mit D-Mark-Millionen. Tore erschienen als Zahlen. Spieler nur als Namen. Und der Bildschirm? Grau. Kein Rasen, kein Stadion. Und doch: Es war unsere Champions League.

Wir saßen stundenlang vorm Fernseher, diskutierten über „stark“ und „sehr stark“, überlegten, ob man Rudi Völler verkaufen sollte – oder doch lieber Maradona holen.

Kein Soundtrack. Kein Jubel. Kein Gameplay. Aber alles war da: Spannung, Stolz, Euphorie. Denn es war unser Spiel – geschrieben für uns.

Heute braucht ein Spiel 4K, Storyline, Multiplayer. Damals reichte: ein Joystick, ein C64, und eine Zeile, in der stand:
„Spielstand nach 25 Spielminuten: 0:1“

Und trotzdem: Es war das schönste 0:1 meines Lebens.


Was hat die Digitalisierung in uns verändert?

Früher standen wir mit Kohleeimern im Keller, heute mit Profilbildern im Licht.

Früher warteten wir auf einen Ladebalken, heute auf Bestätigung.

Früher spielten wir gegeneinander – aber gemeinsam. Heute scrollen wir nebeneinander – aber allein.

Die Technik wurde klüger. Wir wurden glatter. Alles ist verbunden – aber kaum etwas berührt.

Wir haben gelernt, uns zu optimieren – aber nicht, uns zu zeigen. Wir sind ständig online – aber kaum noch da.

Ich weiß nicht, was Haltung heute noch heißt. Aber ich erinnere mich, wie sie sich mal anfühlte: Nach Kohle. Nach Wärme. Nach echten Sätzen. Und nach dem Geräusch eines Computers, der bereit war.

„Ready or not, you can’t hide.“
Ein Refrain aus den Neunzigern.
Damals war’s ein Song – heute ist es eine Realität.

Wir, die Kinder der Migration, konnten uns nie verstecken. Nicht in der Schule. Nicht auf dem Amt. Nicht auf der Straße. Wir mussten doppelt so gut sein, um halb so viel gesehen zu werden. Das ist kein Gejammer. Das ist Statistik.

Und trotzdem: Ich bin dankbar. Dankbar für ein Land, in dem ich nicht nur geboren und aufgewachsen bin, sondern gelernt habe, zwischen den Zeilen zu leben – zwischen Herkunft und Hoffnung. Zwischen Stolz und Schmerz.

Manchmal fühle ich mich fremd. Aber paradoxerweise bin ich genau hier zu Hause. Nicht trotzdem – sondern deswegen.

READY_ ist kein Status. Es ist die Entscheidung, sich nicht zu verstecken. Sich zu zeigen – mit allem, was war und allem, was noch wird.


**** COMMODORE 64 BASIC V2 ****
64K RAM SYSTEM 38911 BASIC BYTES FREE
READY.

Denn manchmal reicht ein blinkender Cursor, um dich daran zu erinnern, wer du bist – und dass du bereit warst, lange bevor jemand gefragt hat.

Ein Messer liegt auf dem Tisch.
Kalt. Still. Bereit.
Es hat keinen Willen. Keine Meinung. Keine Richtung.

Es ist nicht böse. Nicht gut.
Es ist – und wartet.

Mit ihm kann man Brot teilen.
Oder eine Wunde reißen.
Es kann verbinden. Oder trennen.

Werkzeuge tragen keine Schuld.
Aber sie tragen Spuren.
Von den Händen, die sie halten.
Von den Herzen, die sie lenken.


Technologie ist das Messer unserer Zeit.
Künstliche Intelligenz, Daten, Maschinen –
sie alle sind Werkzeuge. Präzise. Machtvoll. Schnell.

Aber was tun wir mit ihnen?
Wem dienen sie? Und wem nicht?

Die Frage ist nicht:
„Wie scharf ist das Messer?“
Sondern:
„Wer führt es – und wozu?“

Wir programmieren Algorithmen.
Aber wer programmiert unsere Absichten?


Die Welt lebt von Balance.
Nicht nur in der Natur –
auch in unseren Entscheidungen.

Jede Handlung ist ein Eingriff.
Ein Flügelschlag in einem fein abgestimmten System.
Chemisch. Biologisch.
Ethisch.

Technologie ohne Maß wird zur Schieflage.
Zur Unwucht im Getriebe.
Zum Stolperstein in einem Tanz,
der einst Kosmos hieß – Ordnung.


„Eine 100-Wörter-E-Mail, erzeugt durch KI, verbraucht im Hintergrund einen halben Liter Wasser.“

– commons.earth (nach Daten der Washington Post & Making AI Less Thirsty)

Die Nutzung großer KI-Modelle verursacht nicht nur Stromverbrauch, sondern auch massiven Wasserverbrauch – zum Kühlen von Servern in Rechenzentren. Prognosen zufolge könnte allein der weltweite KI-Einsatz bis 2027 so viel Wasser beanspruchen wie das gesamte Neuseeland jährlich.

Was wie ein kleiner Text wirkt – ein Chat, ein Prompt, eine E-Mail – ist in Wahrheit ein Tropfen im digitalen Ozean. Doch Milliarden dieser Tropfen summieren sich:

  • Eine einfache E-Mail: 0,2 bis 0,3 g CO₂
  • Eine lange E-Mail mit Anhang: bis zu 50 g CO₂
  • Weltweit über 300 Milliarden E-Mails – täglich.

Technologie hat einen ökologischen Fußabdruck. Wer ihn nicht sieht, wird ihn auch nicht verkleinern.

Wir schreiben nicht, um zu klagen.
Wir schreiben, um zu fragen.
Nicht um zu verurteilen –
sondern um einen Raum zu öffnen.

Für Nachdenken.
Für ehrliche Verantwortung.
Für Lösungen, die nicht laut sein müssen –
aber klar.

Denn wer das Messer nur verteufelt,
verkennt seine Nützlichkeit.
Und wer es nur feiert,
ignoriert seine Gefahr.

Zwischen diesen Polen liegt die Wahrheit:
in der bewussten, menschlichen Hand.


Wir stehen nicht am Anfang der Technik.
Aber vielleicht am Anfang eines Bewusstseins.

Vielleicht ist die wichtigste Innovation
nicht schneller, sondern tiefer zu denken.

Vielleicht ist Verantwortung
die letzte große menschliche Technologie.

Und das Messer?
Es liegt noch immer auf dem Tisch.
Es wartet.

Es gibt eine Taste, die jeder kennt.
Sie sitzt oben links auf deiner Tastatur.

esc

Entkommen – nicht aus Angst.
Sondern aus Sehnsucht nach Stille.

Und genau das brauchen wir – manchmal dringender als Kaffee am Morgen.
Denn die To-dos jagen sich, die Mails ploppen auf wie popcornsüchtige Gedanken.
Meetings, Deadlines, Push-Nachrichten.
Und dazwischen?

Ein Ich, das immer mehr verschwimmt wie Text in einem unscharfen Fenster.

Zeit, die esc-Taste im echten Leben zu drücken.

Was wäre, wenn Abstand kein Luxus wäre – sondern Notwendigkeit?

Ein kurzer Spaziergang ohne Smartphone.
Ein Sonntag ohne Bildschirm.
Ein Wochenende offline.
Oder ganz schlicht:
Ein Moment mit dir.
Ganz bei dir.
Wie ein Sprung in einen Pool, dessen Wasser nicht kühl, sondern klar macht.

Digital Detox? Oder eher: Digital Balance.

Wir müssen nicht alles kappen.
Aber vielleicht sollten wir ab und zu neu verbinden – mit der Welt da draußen,
mit dem Himmel über uns,
dem Wind im Gesicht
und dem echten Lachen eines Freundes.

Denn jedes System braucht einen Neustart.
Und jeder Mensch ein bisschen Sternenstaub im Blick.

Die Leiter wartet.

Der Pool ist gefüllt mit Stille,
mit Weite,
mit dem Universum jenseits des Kalenderkarussells.

Du darfst springen.
Steig ein. Drück esc.

Manche Zeichen schreien.
Andere sagen nichts – und erzählen doch alles.

Du gehst eine deutsche Straße entlang.
Grauer Asphalt, parkende Autos, das übliche Bild.
Aber dann bleibt dein Blick an einem Kennzeichen hängen: ORT – TR 34

Es blitzt kurz in der Sonne.
Weißes Blech, schwarze Lettern.
Ein Stück Türkei auf deutschem Boden.
Kein Werbeslogan. Kein Statement-Shirt. Nur:
ORT – TR 34

Und du weißt: Das ist nicht zufällig.
Das ist gewollt.
Das ist Herkunft in drei Buchstaben und zwei Zahlen.
Eine Erinnerung an Istanbul, festgeschraubt an einem VW in Gelsenkirchen.

Für viele in der türkischen Community sind diese Nummern mehr als Metall.
Sie sind Symbole. Zeichen.
Stilles Marketing, wenn man so will.
Ein Wort, das nie ausgesprochen wurde – und trotzdem jeder versteht.

Ein Kennzeichen ist eigentlich nur eine Pflicht. Eine Nummer zur Identifikation.
Aber in der türkischen Community ist es längst mehr als das.

Es ist Erinnerung. Herkunft. Reviermarkierung.
Ein stilles Bekenntnis – nicht zur Auto-Marke, sondern zur eigenen Geschichte.

Ein 34 auf einem deutschen Auto sagt nicht nur: „Ich war da.“
Es sagt auch: „Ich bin von dort.“

Diese Zahlen funktionieren wie kulturelle Codes.
Wie Tattoos aus Blech.
Sie sprechen zu denen, die die Sprache verstehen – und bleiben für andere einfach nur Nummern.

Wenn jemand ORT – TR 63 fährt, dann fährt da oft mehr mit als nur ein Kofferraum voller Einkaufstüten.
Da fährt Şanlıurfa mit. Musik, Dialekt, Stolz.
Ein ganzes Lebensgefühl, das nicht im Navi steht – aber im Rückspiegel leuchtet.

Manche Kennzeichen erzählen von Orten –
andere von Zeiten.

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1453, 1071, 313 – das sind keine Ortskennzahlen.
Das sind Jahreszahlen. Schlachtfelder. Wendepunkte. Wer sie trägt, trägt Geschichte auf dem Kofferraum.

1453 – Die Eroberung Konstantinopels.
Ein Wendepunkt der Weltgeschichte.
Ein Code, der nicht nur an die Vergangenheit erinnert, sondern an eine Haltung: „Unmögliches ist machbar.“

1071 – Die Schlacht von Manzikert.
Der erste Schritt der Türken nach Anatolien.
Ein Symbol für Ankunft, für Durchbruch, für Herkunft im tieferen Sinn.

313 – Die Zahl der Kämpfer in der Schlacht von Badr.
Nicht geographisch. Nicht politisch.
Sondern spirituell.
Ein stilles Zeichen für Glaube gegen Übermacht.

Diese Zahlen sind keine Dekoration.
Sie sind Statements – getragen auf deutschen Straßen, gesehen an Ampeln in Köln, auf Parkplätzen in Dortmund, unübersehbar für die, die sie verstehen.

Sie erzählen nicht nur, wo jemand war –
sondern woran er glaubt.

In der türkischen Community trägt jede Zahl einen eigenen Klang.
Nicht nur weil sie eine Region markiert –
sondern weil sie ein Lebensgefühl codiert.

01 – Adana: Stolz, Direktheit, Straße.
Eine Zahl wie ein Handschlag mit festem Griff.
Adana ist kein Ort – es ist ein Temperament.

34 – İstanbul: Metropole, Status, Geschichte.
Wer 34 fährt, will nicht nur gesehen werden –
er will zeigen, dass er von dort kommt,
wo alles beginnt und alles endet.

38 – Kayseri: Geschäftssinn, Taktik, Ehrgeiz.
Eine Zahl für die, die rechnen können – und wollen.

43 – Kütahya: Hier spricht die Erde in Mustern.
Was einst gebrannt wurde, erzählt noch – leise, aber stolz.
Ein feiner Riss im Ton, doch keine Schwäche.
Hier formten Hände mehr als Keramik:
Sie trugen die Spuren einer alten Ordnung
und die Funken eines neuen Anfangs.
43 – nicht nur eine Zahl,
sondern eine Linie zwischen Erinnerung und Aufbruch.

67 – Zonguldak: Kohle, Tiefe, Arbeiterseele.
Ein Code, der nach Untertage riecht,
nach Schweiß, Würde und jahrzehntelanger Migration.
Diese Zahl steht für Menschen, die im Dunkeln schuften,
damit anderswo das Licht brennt.

47 – Mardin: Stein, Sonne, Stille.
Ein Ort, der nicht ruft – sondern trägt.
Vielvölkerstadt, gewachsen aus Sand und Sinn.
Arabisch, Kurdisch, Türkisch, Assyrisch –
in Mardin sprechen Mauern in vielen Zungen.
Diese Zahl erzählt nicht von Lärm, sondern von Layern.
47 ist ein Echo alter Gebete
und ein Blick nach vorn – im warmen Licht des Südostens.

68 – Aksaray: Konservativ, tief verwurzelt, ruhig.
Aber auch: Erinnerung an ’68,
die andere Bewegung – eine stille Spannung im Zahlencode.

Diese Zahlen sind keine Zufallsprodukte der Zulassungsstelle.
Sie sind gewählte Signale.
Wie Hoodies mit Herkunft.
Wie Stimmen ohne Lautstärke.

Links auf dem Kennzeichen steht das blaue EU-Feld mit dem D für Deutschland.
Ein Symbol für Staatsangehörigkeit, Ordnung, Zugehörigkeit.

Und gleich daneben?
Ein kleiner, selbstgeklebter Aufkleber: TR.

Er ist oft vergilbt, manchmal schief geklebt,
aber er klebt hartnäckig – als würde er sagen:
„Ich bin nicht vergessen.“

Zwischen D und TR liegt oft ein ganzes Leben.
Erinnerung und Zukunft, Pflicht und Sehnsucht, Pass und Herkunft.
Für viele junge Menschen bedeutet das:
Sie sind beides – und keines ganz.

Der TR-Aufkleber ist kein politisches Zeichen.
Er ist ein Gefühl.
Er klebt nicht für die Kamera, sondern fürs Herz.
Und genau deshalb sieht man ihn nicht überall – aber wenn, dann versteht man sofort.

Für manche sind Zahlen nur Mittel zum Zählen.
Für andere sind sie Sprache. Zeichen. Wegweiser.

In der islamischen, jüdischen und antiken griechischen Gelehrtentradition
tragen Zahlen Bedeutungen in sich – nicht nur als mathematische Einheiten,
sondern als Träger von Symbolik und Geheimnissen.

Die sogenannte Ebced-Rechnung weist jedem Buchstaben im Arabischen einen Zahlenwert zu.
So entsteht eine zweite Ebene der Deutung – jenseits des Offensichtlichen.

Auch im jüdischen Mystizismus (Kabbala) und in der griechischen Isopsephie
wurden Zahlen zur Entschlüsselung heiliger Texte verwendet.

Zahlen wurden so zu Spuren.
Nicht im Sinne von Wahrsagerei – sondern als Tore zu tieferer Bedeutung.

Vielleicht ist alles Zahl.
Vielleicht ist die Welt kein Zufall – sondern ein Code.

Wer sich mit Numerologie, Ebced und der heiligen Geometrie beschäftigt,
begreift schnell: Zahlen sind mehr als Werkzeuge.
Sie sind Muster. Schlüssel. Melodien.

Die Goldene Zahl – Phi ≈ 1,618 –
findet sich in Pflanzen, Muscheln, Galaxien, im Verhältnis des menschlichen Körpers.
Sie ist kein Zufall – sie ist Signatur.

Vielleicht ist also auch ein Kennzeichen nicht einfach nur eine Zahl.
Vielleicht ist 1453 mehr als ein historisches Datum.
Vielleicht ist 313 mehr als eine Truppe.
Vielleicht sind sie Winkzeichen – für jene, die sehen wollen.

Wer mit offenen Augen fährt, erkennt:
Diese Welt ist nicht laut –
sie flüstert. In Zahlen. In Zeichen. In Mustern.

Ein Kennzeichen ist eigentlich nichts als eine Nummer.
Aber für manche ist es Herkunft, Erinnerung, Hoffnung.

Manche Zahlen erzählen von Städten.
Andere von Schlachten.
Wieder andere – von einer Sehnsucht, die sich nicht in Worte fassen lässt.

Zwischen ORT und TR, zwischen 313 und 1453,
zwischen Zahl und Zeichen liegt eine Welt,
die nicht laut spricht –
aber tief klingt.

Vielleicht ist diese Welt wirklich ein Code.
Ein Gedicht aus Zahlen.
Ein stilles Buch, das man nur mit dem Herzen lesen kann.

Und vielleicht ist jedes Kennzeichen, das an uns vorbeifährt,
eine Einladung:
„Erinnere dich. Schau tiefer. Frag dich:
Woher kommst du? Und was trägst du mit?“

Manche fahren Autos.
Andere fahren Geschichten.

Und wir wollen sie erzählen.

Wir sind gerade dabei, unseren Newsletter einzurichten und werden ihn schon bald veröffentlichen und offiziell ankündigen.
Wenn du dabei sein willst:
Abonniere gerne unseren Newsletter.
Vielleicht fährt die nächste Geschichte schon bald in deinem Postfach vor.


Ein besonderer Dank geht an meinen Freund Sinan Özen, der mich zu diesem Beitrag inspiriert hat.

Manche Geschichten entstehen erst durch einen guten Impuls – Danke, Sinan!

In den letzten Monaten hat sich etwas verändert. Nicht nur in meinen Projekten, sondern auch in meinem Blick auf Design selbst. Es ist, als ob die Branche – und vielleicht auch wir alle – kollektiv einen Gang zurückschalten. Wo früher noch Effekte, Farben und “Wow-Momente” dominierten, spüre ich heute ein wachsendes Bedürfnis nach Ruhe, Klarheit und echtem Ausdruck. Vielleicht liegt es an der Reizüberflutung. Vielleicht an der künstlichen Intelligenz, die plötzlich alles kann – und gleichzeitig so wenig fühlt.

Früher hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal mit einer Maschine gemeinsam gestalten würde. Heute ist das Alltag. KI generiert Layouts, erstellt Farbpaletten, schreibt Texte. Und das Erschreckende? Sie macht das gar nicht schlecht. Aber genau da beginnt das Problem: Wenn alles möglich ist – was ist dann noch deins? Ich merke immer häufiger, dass ich nicht nach dem perfekten Design suche, sondern nach dem, was sich richtig anfühlt.

Nicht selten lösche ich Entwürfe, die auf den ersten Blick “professionell” wirken, aber im Kern leer sind. Stattdessen entscheide ich mich für das Unperfekte, das Mutige, das Menschliche. Für eine Schrift, die atmet. Für einen Raum, der nichts sagt – aber alles fühlen lässt.

Design ist für mich kein Werkzeug mehr, um Eindruck zu machen. Es ist ein Medium, um ehrlich zu sein.

Ich glaube, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem visuelle Stille lauter spricht als jede Animation. Früher habe ich versucht, jede Fläche zu füllen – heute lasse ich bewusst Dinge weg. Ich stelle mir Fragen wie: „Muss dieses Element wirklich hier sein?“ oder „Würde dieser Button fehlen, wenn ich ihn weglasse?“ Und oft lautet die Antwort: Nein.

Das weiße Feld, die gezogene Linie, der stille Blick – das alles hat plötzlich mehr Gewicht als der nächste Color Gradient oder Micro-Interaction. Es geht nicht mehr darum, zu zeigen, was ich kann. Sondern zu zeigen, wo ich stehe.

Auch mein Tempo hat sich verändert. Ich arbeite langsamer. Nicht aus Faulheit, sondern aus Respekt. Nicht jedem Brief muss sofort eine Lösung folgen. Manchmal liegt die Antwort nicht im Tun, sondern im Warten. Im Spüren. Im Schweigen.

Ich habe gelernt, “Nein” zu sagen. Zu Projekten, die laut, aber seelenlos sind. Zu Layouts, die beeindrucken sollen, aber nichts erzählen. Und “Ja” zu Momenten, in denen ich mit dem Kunden einfach nur in Stille vor einem Entwurf sitze – und beide wissen: Da ist etwas. Etwas Echtes.

Natürlich beobachte ich die Szene weiter. Ich sehe, wie sich neue Ästhetiken bilden. Neo-Brutalismus taucht auf – roh, kantig, ungeschliffen. Gleichzeitig kommt eine neue Form von Minimalismus auf uns zu: emotional, bewusst, fast poetisch. Ich fühle mich oft zwischen diesen Polen hin- und hergerissen. Aber vielleicht ist genau das der Ort, an dem ich am liebsten bin: dazwischen.

Wo das Rohe auf das Zarte trifft. Wo die Idee wichtiger ist als der Stil.

Was mich besonders freut, ist der Blick zurück nach vorn. Immer mehr Designer holen sich ihre Inspiration vor der eigenen Haustür. Man sieht türkische Ornamente in modernen Interfaces, arabische Kalligrafie in Branding-Systemen, deutsches Bauhaus in neuer Form interpretiert. Wir lernen wieder, unsere Wurzeln zu ehren – und sie in eine globale Sprache zu übersetzen.

Das ist nicht Retro. Das ist Erinnerung. Und Erinnerung ist das ehrlichste Design.

Am Ende bleibt diese eine Frage:
Was bleibt, wenn der Bildschirm aus ist?
Was bleibt, wenn das Briefing vorbei ist, die App heruntergefahren, der Kunde offline?

Für mich ist es das Gefühl, dass ich – für einen Moment – mit meiner Arbeit jemandem begegnet bin. Ohne Worte. Ohne Werbung. Ohne Effekte.

Nur durch Form. Raum. Tiefe.

Und vielleicht ist genau das das neue Design.

Heute ist Bayram.

Aber draußen klingelt kein Kind mehr.
Keine Plastiktüte in der Hand,
kein schüchternes „Bayramınız mübarek olsun“ im Treppenhaus.
Diese Zeiten sind vorbei.
Wie so vieles.

Wir leben zwischen Hochhäusern, Paragraphen und Terminen.
Zwischen Steuerbescheiden und stillem Heimweh.
Unsere Kinder wissen mehr über iPads als über Misvak.

Und doch…
irgendetwas in uns
stellt heute den Tee auf.

Nicht aus Gewohnheit.
Nicht aus Nostalgie.

Wir feiern, weil es unser Glaube ist.

Und vielleicht auch,
weil wir heimlich auf die alten Tage hoffen.
Auf die Stimmen im Treppenhaus.
Auf das warme Lächeln vor der Tür.
Auf das, was mal selbstverständlich war –
und heute fast verschwunden ist.

Heute ist Sonntag.
Eh klar, dass wir nichts machen.
Aber auch wenn Montag wäre:
Heute gäbe es kein Briefing.
Kein Konzept.
Kein Angebot.
Nur Stille.

Und ein stilles Gebet,
dass keiner von uns sich verliert in diesem Lärm.

Bayram in Deutschland ist anders.
Leiser.
Eckiger.
Aber vielleicht auch ehrlicher.


Und bevor wir’s vergessen:
Das hier ist kein Zuckerfest.

Nie gewesen.

Denn wer 30 Tage lang mit leerem Magen gebetet,
mit müden Augen gewartet
und mit stillem Herzen gehofft hat,
der verdient mehr
als einen Begriff, der klingt wie ein Kindergeburtstag.

„Zuckerfest“ – das wurde erfunden von Leuten,
die mit dem Fasten nichts anfangen konnten,
aber trotzdem irgendwie mitreden wollten.
Ein nettes Wort für ein Fest,
dessen Tiefe sie nie betreten haben.

Aber wir nennen es, wie es heißt:
Ramazan Bayramı. Oder auf Arabisch: Eid Mubarak.

Bayram ist die Belohnung.
Nach Disziplin.
Nach Geduld.
Nach innerem Ringen.

Süßigkeiten gibt’s auch – klar.
Aber sie sind nicht der Sinn.
Sie sind nur das Lächeln
am Ende eines Monats voller Stille.


Frohes Fest,
an alle, die heute innerlich noch einen Tisch decken.
Ob allein oder mit Familie.
Ob mit Groll oder mit Frieden.
Es zählt, dass du noch spürst.
Dass du noch glaubst.
Dass du noch da bist.

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